wo sachdienliches Handeln gefragt wäre

Medizinische Behandlungspflege in den Heimen

Nicht erst seit Beginn der Pflegeversicherung im Jahr 1995 haben Pflegeheime Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbracht. Sie hat aber seither in ihrem Umfang deutlich zugenommen. In unseren Häusern hat sie bereits einen Anteil an der Gesamtpflegeleistung von bis zu 20%.

Während in der Ambulanten Pflege, also: Pflege Zuhause, die Krankenkassen für die Kosten aufkommen, sind sie in den Pflegeheimen nach einer nun schon mehr als zehn Jahre geltenden Übergangsregelung mit den Pflegezuschüssen der Pflegekasse abgegolten. Wir halten dies für falsch!
Was dies für die Beteiligten bedeutet, versuchen wir an einem Beispiel der Pflegestufe III deutlich zu machen, weil hier die Pflegezuschüsse in der ambulanten wie stationären Pflege jeweils gleich hoch sind:


Herr Sehrkrank ist vom Medizinischen Dienst der Kranken- und Pflegekassen (MDK) begutachtet und von seiner Pflegekasse in Pflegestufe III anerkannt worden. Er wurde bisher aufopferungsvoll von seiner Ehefrau und einem ambulanten Pflegedienst gepflegt und versorgt. Er hat einen Dauerkatheter zur Urinableitung und als Diabetiker wegen Durchblutungsstörungen offene Beine. Eines Tages ist der Zeitpunkt gekommen, an dem seine Ehefrau wegen eigener Leiden und weil sie es kräftemäßig nicht mehr schafft, ihren pflegebedürftigen Mann in die Obhut eines Pflegeheims geben muss.
Vorher hatte der Pflegedienst Herrn Sehrkrank dreimal täglich zu Hause besucht und Leistungen der Grundpflege (Pflegestufe III) nach SGB XI und medizinische Behandlungspflege nach SGB V erbracht. Entsprechend den mit Pflegekassen vereinbarten Vergütungen hat der Pflegedienst monatlich ca. 2.000,-- € in Rechnung gestellt, von denen 1.470,-- € von der Pflegekasse übernommen wurden. Den Rest trug Familie Sehrkrank. Für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege sind monatlich ca. 780,-- € Kosten angefallen, die direkt und in voller Höhe mit der Krankenkasse abgerechnet wurden. Hiervon musste Herr Sehrkrank nichts selbst bezahlen.
Im Pflegeheim bekommt Herr Sehrkrank auch alle Leistungen, wie zuvor vom ambulanten Pflegedienst erbracht. Nur hier übernimmt keine Ehefrau die anderen pflegerischen und häuslichen Aufgaben. Diese werden ebenfalls alle vom Heim geleistet. Gegenüber vorher sind damit die Leistungen des Heims umfänglicher als die des ambulanten Dienstes.
Das Pflegeheim bekommt für Grund- und Behandlungspflege des Herrn Sehrkrank von der Pflegekasse lediglich einen Pflegezuschuss in Höhe von 1.470,-- € .
Die nicht von der Pflegekasse gedeckten monatlichen Heimkosten in Höhe von ca. 2.300,-- € muss Herr Sehrkrank aus eigener Tasche zahlen.


Am 01.04.2007 trat das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz in Kraft. Völlig systemwidrig ist die medizinische Behandlungspflege in stationären Pflegeeinrichtung nun doch als Leistung der Pflegeversicherung festgeschrieben worden, die mit dem Pflegezuschuss (z.B. in der Pflegestufe III sind dies 1.470 €) abgegolten sei.
Lediglich für einen noch im Bundesausschuss zu beschreibenden Personenkreis von Pflegebedürftigen mit besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege soll es Regelungen geben, die es erlauben, diese Leistungen mit der Krankenkasse (SGB V) abzurechnen. Bleibt abzuwarten, ob es hier im Sinne der Versicherten zu gerechten und für die Pflegeheime brauchbaren Lösungen kommt.

Ludger Risse, Dipl. Pflegewirt (FH) und Magnus Beck, PDL und QMB, machten zu dieser Problematik im Februar 2001 eine Untersuchung gleichzeitig in 11 Pflegeheimen im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft katholischer Altenheime im Kreis Warendorf. In ihrer Untersuchung beschreiben sie die medizinische Behandlungspflege in Pflegeheimen als "Serviceleistung zum Nulltarif".

Das Heim muss also qualifiziertes Personal für Grundpflege (SGB XI) und für medizinische Behandlungspflege (SGB V) bereit stellen. Für Herrn Sehrkrank heißt dies, dass er die bisher von der Krankenkasse übernommenen 780,-- € nun über einen deshalb höheren Pflegesatz zu einem erheblichen Teil selbst tragen muss. Wenn er dies nicht kann, wird er Sozialhilfe beanspruchen müssen. Auch seine Familie wird zu Bedingungen der Sozialhilfe mit veranlagt.
Problematisch wird es auch für seinen Zimmernachbarn, der, als er ebenfalls noch zu Hause pflegerisch versorgt werden konnte, medizinische Behandlungspflege in einer monatlichen Kostengröße von nur 56,-- € benötigte. Sein Pflegeaufwand und der des Herrn Schwerkrank werden im Pflegesatz des Heimes durchschnittlich veranlagt. Vereinfacht könnte man sagen: Jeweils die Hälfte aus zusammen 836,-- € = 418,-- €. Der Zimmernachbar wird, ohne selbst einen hohen Anteil dieser Leistungen zu benötigen, durch seine solidarischen Mitfinanzierung womöglich ebenfalls zum Sozialhilfeempfänger - auch mit allen Folgen für seine Familie.

Übernähmen die Krankenkassen im stationären Bereich die Kosten für medizinische Behandlungspflege analog zur ambulanten Pflege, könnten die Pflegesätze für die Pflegebedürftigen deutlich sinken.

Zugegeben, das obige Beispiel ist sicher stark vereinfacht. So lässt es sich aber verstehen. Gestatten Sie uns am Schluss dieser Ausführungen ein offenes Wort: Wir halten das, was in dieser Sache politisch entschieden wurde, aus oben beschriebenen Argumenten für ein Unrecht an den Versicherten und deren Angehörigen!




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